textologie
Dr. Enrico Müller

Deixis, Drama, Dialogos
Platons »Phaidros« und die philosophische Kunst des Dialogs

Platons Philosophie ist nicht von einer dialektischen Methode gekennzeichnet, sondern durch ein Spektrum dialektischer Entwürfe, die jeweils im Kontext des Dialogs zu interpretieren sind. Techniken indirekter Mitteilung des Sich-Unterhaltens (dialegesthai) werden dabei gezielt aus den situativen und interindividuellen Konstellationen des Dialogs (dialogos) entfaltet und begrenzen damit die normativen Ansprüche der dialektischen Methoden (dialektikai technai). Nicht die einseitige Abfolge dieser Momente, mithin die fortschreitende Formalisierung des Gesprächs zu einem normativen Diskursmodell, sondern deren mit hohem dramaturgischem Aufwand gezeigte Interaktion macht die Bedeutung der philosophischen Kunst Platons aus. Die Dialogform legt damit eine eher kommunikationstheoretische als eine ontologische Ausgangsperspektive des platonischen Denkens nahe.
Der Phaidros zeigt dies exemplarisch auf und ist darin innerhalb des Corpus Platonicum einzigartig. In ihm werden nicht nur Reden gehalten und dabei zugleich die situativen und figurativen Bedingungen verbindlicher Rede in Szene gesetzt. Vielmehr weichen im zweiten Teil des Dialogs maßgebliche im corpus Platonicum etablierte Positionen der Rhetorikkritik dem Entwurf einer philosophischen Rhetorik qua Dialektik, der die Kommunikationserfahrungen des ersten Dialogteils theoretisch einholt. Der kommunikative Ausgangspunkt der Dialektik wird somit gleichermaßen prozessiert und reflektiert, der Phaidros selbst dabei als Dialog über den Dialog ersichtlich.


Literatur und Wissenschaften
Biographie
Publikationen